Die Gäubahn

Manchmal weiß man Dinge erst dann richtig zu schätzen, wenn man sie nicht mehr hat – hoffentlich passiert uns das nicht auch bald mit unserer Gäubahn! Denn die Bahnlinie, die Ergenzingen in die Richtungen Stuttgart und Zürich vernetzt und uns somit an den Arbeitsplatz, zum Stadtbummel, Cannstatter Wasen oder als erste Etappe einer Urlaubsreise Richtung Süden bringt, könnte bald zur Vergangenheit werden. Dank Stuttgart 21 kämen Bahnreisende Richtung Stuttgart bald nur noch bis zum Bahnhof Vaihingen – und müssten von hier aus umständlich in S-Bahn, Regionalzug oder den Bus steigen, um zum Hauptbahnhof zu gelangen.  
Über die Gäubahn ist seitdem eine Debatte entbrannt, doch die Lösungen, die im Gespräch sind, lassen sowohl uns Ergenzinger, als auch die vier Zwischenhalte auf den Weg nach Stuttgart – Bondorf, Gäufelden, Herrenberg und Böblingen – außen vor. Wir bilden nun eine Schicksalsgemeinschaft, wir sitzen sozusagen alle im selben Zug. Als Ersatz ist eine S-Bahn-Anbindung im Gespräch, also eine S-Bahn von Stuttgart nach Horb. Das wäre jedoch kein vollwertiger Ersatz, denn die S-Bahn ist mit vielen Zwischenhalten deutlich langsamer und unbequemer. Für Fernreisende fehlen Toiletten und Platz für das Gepäck, für Pendler nach Stuttgart verlängert sich die Fahrtdauer, und zur typischen Rushhour sind die S-Bahnen von und nach Böblingen bereits jetzt sehr voll. Richtung Singen und Zürich müssten wir zukünftig in Horb umsteigen, auch nach Freudenstadt verlieren wir die direkte Anbindung. Das Problem betrifft die ganze Region, also alle Bahnhöfe von Eutingen bis Böblingen.

Michael Theurer, der Horber Ex-OB, ist der Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr. Leider fördert er nicht den Schienenverkehr, sondern vor allem die Stadt Horb. Auf Theurers Bitte wird die Umleitung der IC-Züge über Tübingen oder Renningen geprüft. Horb bliebe damit ja an der Gäubahn und hätte dann die S-Bahn-Anbindung zusätzlich – der wichtige Wirtschaftsraum Böblingen/Sindelfingen jedoch wären bei dieser Streckenführung vom Fernverkehr abgehängt. Auch unser OB Stephan Neher vertritt in dieser Angelegenheit leider nur die Interessen der Kernstadt und lässt die Gäu-Bewohner im Stich.

Die Einwohnerzahl von Ergenzingen wächst, die Zahl der Arbeitsplätze steigt und gleichzeitig soll sich die Nahverkehrs-Anbindung verschlechtern? Die schnelle Bahnverbindung zu den Arbeitsplätzen in Sindelfingen, Böblingen oder Stuttgart ist für viele Einwohner wichtig. Eine gut funktionierende ÖPNV-Strecke zurückzubauen passt überhaupt nicht in die Zeit: Bis 2030 soll sich die Zahl der Bahnfahrgäste verdoppeln, ab März gibt es das sehr günstige JugendticketBW und ab Mai das 49-Euro-Ticket. Das kann nur mit einer starken ÖPNV-Infrastruktur funktionieren. Stuttgart muss ein leistungsfähiger Bahnknoten bleiben! Da macht es doch Sinn, die heutige Gäubahn-Strecke als weitere Zulaufstrecke und als Ausweichstrecke für die S1 zu erhalten. Auch in der Schweiz wird man kein Verständnis dafür haben, wenn sich die Fahrzeiten zwischen Zürich und Stuttgart verschlechtert.
Die im Klimaschutzgesetz für den Verkehrssektor festgelegten Ziele werden wir so nicht erreichen.  
Wir müssen uns dafür einsetzen, unsere Gäubahn zu erhalten und diesen verkehrspolitischen Unsinn verhindern!