Bauplatzvergabe: Wozu Richtlinien, wenn sie nicht greifen?!   

             
In seiner Sitzung am 24. Mai 2022 debattierte der Gemeinderat über einen Antrag zur Anpassung der  Vergaberichtlinien von städtischen Bauplätzen. Das Tagblatt nannte es Streit. Egal, wie man es bezeichnet, es war bereits ein Novum, dass es eines interfraktionellen Antrags durch 6 Ergenzinger Gemeinderäte bedurfte, damit das Thema überhaupt auf die Tagesordnung des Gemeinderates aufgenommen wurde. Die Rathausspitze schien mit allen Mitteln diesen Antrag verhindern zu wollen und holte sich im Vorfeld Rückendeckung sowohl im Ortsvorsteher-Sprengel, als auch im Ältestenrat (beide Gremien sind nicht beschlussfähig), um letztendlich dem Gemeinderat als Beschlussvorlage eine Ablehnung zu empfehlen. Leider verfing diese Taktik bei vielen Gemeinderäten.   
Worum ging es bei diesem strittigen Antrag?
Die Stadt verkauft ihre Bauplätze zum Selbstkostenpreis und damit weit unter den marktüblichen Konditionen. Zur Begründung heißt es: Man wolle durch diese verbilligten Bauplatzpreise es vor allem ortsansässigen (vereinsaktiven) Familien/jungen Leuten ermöglichen, Wohneigentum zu schaffen und somit verhindern, dass diese wegziehen müssen.
So weit, so gut, nun hat sich aber die Lage auf dem Immobilienmarkt in den vergangenen Jahren drastisch verändert, was unter anderem dazu führt, dass die Preise vor allem in den Großstädten ins Astronomische gestiegen sind. Dieser Druck bringt Bauwillige aus der ganzen Region dazu, sich auf diese günstigen Bauplätze in der Stadt Rottenburg zu bewerben. Sehr deutlich zeigt sich dies in Ergenzingen durch die Nähe zur Autobahn und dem Bahnanschluss nach Stuttgart. Hier übersteigt die Nachfrage bei Weitem das Angebot. In diesem Fall greifen die Richtlinien für die Vergabe von Baugrundstücken der Stadt. Am Beispiel des Baugebiets Öchsner II in Ergenzingen zeigt sich überdeutlich, dass die bisher geltenden Richtlinien mit den entsprechenden Kriterien zur Punktevergabe die beabsichtigte Zielgruppe nicht mehr ausreichend berücksichtigen. Dies führt in der Bevölkerung zu Unmut und Unverständnis.
Was liegt nun näher, als darauf zu reagieren und die Richtlinie anzupassen? Die Verbesserungsvorschläge dazu sahen folgendes vor:
-    Bisher erhielten die Bewerber für jedes Jahr, die sie in der Stadt (Kernstadt oder Ortsteile) wohnten, 1 Punkt, allerdings begrenzt auf maximal 3 Punkte. Diese Anzahl sollte auf 5 Punkte (ab 4 Jahren) erhöht werden. Die Gesamtpunkteanzahl würde sich durch die 50% Regelung von 32 auf 36 Punkte erhöhen. In Bondorf werden über 100 Punkte vergeben. Abgelehnt!

-    Wer bereits über ausreichendes Wohneigentum (Haus, Wohnung) verfügt, wird nicht berücksichtigt. Abgelehnt!
Gerade in diesem letzten Verbesserungsvorschlag sah Herr Neher eine Neiddebatte und diese zu führen, sei komplett daneben. Herr Bednarz führte den hohen Verwaltungsaufwand und die Fehleranfälligkeit als Ablehnungsgrund an. Weiter wurde bemängelt, man hätte die Änderungen vorher in allen Ortschaften abstimmen müssen und 16 Ortsvorsteher (außer Ergenzingen) hätten diese zweifach abgelehnt. Das führt doch zu der Frage, warum haben diese Ortsvorsteher nicht sofort Rücksprache mit ihren Ortschaftsräten genommen!? Als weiteres Argument wurde angeführt, jetzt die Kriterien zu verändern, sei ungerecht gegenüber denjenigen, die nach den alten Kriterien ihre Bauplätze erhalten haben. Hier sahen dann doch einige Gemeinderatsmitglieder ein, dass nach dieser Sichtweise sich überhaupt nichts mehr verändern ließe, und so wurden wenigstens zwei Anpassungen beschlossen.
-    Nicht nur bei einem schwerbehinderten Familienmitglied, sondern auch bei einer Pflege ab Pflegegrad 3 soll es Punkte geben.
-    Bereits eine nachgewiesene Schwangerschaft wird bei der Punktevergabe berücksichtigt.                    
Herr Weigel verwies noch darauf, dass keiner der Bürgermeister schon nach den bisherigen Kriterien einen Bauplatz bekommen hätte.
Richtig, siehe Zielgruppe!
Herr Bednarz merkte an, man werde immer Ungerechtigkeiten produzieren.
 Richtig, aber bemühen darf man sich doch!
Ein Gemeinderat hielt gar die ganze Diskussion um Vergaberichtlinien für „hirnrissig und kleinbürgerlich“, man sollte global denken und sich nicht auf eine Dörflichkeit und Kleinnestereien beschränken. Eine solche Sichtweise und die vehemente Ablehnung seitens der Rathausspitze wirft schon die Frage auf, ob die vorgegebene Zielgruppe überhaupt der Hauptgrund für die verbilligten Bauplatzpreise ist oder ob es nicht ebenso darum geht, durch Zuzug die Einwohnerzahl zu erhöhen?! Dann aber sollte die Stadt ihre Bauplätze zu den üblichen Marktpreisen anbieten und die Gewinne daraus kämen der Einwohnerschaft zu Gute! Es könnte nur sein, dass die Nachfrage dadurch deutlich abnimmt und damit die Begründung, immer noch weitere Baugebiete auszuweisen, wegfällt. Diesen Fragen sollte sich der Gemeinderat dringend stellen.