Chronik der Eingemeindung 1972 – 2022

 

Seit 50 Jahren ist Ergenzingen ein Ortsteil von Rottenburg.
Am 21. März 1971 wurde die „Vereinbarung über die Eingliederung der Gemeinde Ergenzingen in die Stadt Rottenburg“ vom damaligen Ergenzinger Bürgermeister Turner und dem Bürgermeister von Rottenburg Regenbrecht unterzeichnet.

 

Neue Kreise und neue Gemeinden in Baden-Württemberg

Von 1968 bis 1975 wurde in BW unter der damaligen Landesregierung die sogenannte Gemeindegebietsreform durchgeführt, um leistungsfähigere Gemeinden zu schaffen.
wurden Die ursprünglich 63 Landkreise in Baden-Württemberg wurden zu 35 neuen Landkreisen zusammengeschlossen.
Damals gab es in Baden-Württemberg mehr als 3000 Gemeinden, die in den 70er Jahren durch Zusammenschlüsse und Eingemeindungen auf etwa ein Drittel reduziert wurden.

 

Es gab jedoch auch Gemeinden, die sich einer Eingliederung widersetzten und gemeinsame Verwaltungseinheiten schufen, wie z.B. Neustetten, Starzach, Ammerbuch oder Gäufelden.

 

Heute ist Ergenzingen ein Stadtteil mit über 4500 Einwohnern und mehr als 300 Gewerbeansiedlungen. Die Gewerbeparks Ergenzingen-Ost und Höllsteig florieren und dennoch:
als nicht selbständige Gemeinde gehen sämtliche Gewerbesteuern nach Rottenburg und die Beschlüsse  im Ortschaftsrat müssen vom Gemeinderat abgesegnet werden. Der Gemeinderat ist die höhere Instanz und kann auch den Beschluss des Ortschaftsrats kippen, was auch schon mehrmals erfolgt ist.

 

Wie war das damals in Ergenzingen?
Wäre nicht auch eine andere Lösung denkbar gewesen?

 

Dazu müssen wir 50 Jahre in der Geschichte zurückgehen und in die Protokolle der öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats Ergenzingen schauen
(Hinweis: die Zitate aus den Protokollen der Sitzungen sind kursiv gedruckt)

 Beteiligte:
Bürgermeister Turner
Gemeinderäte: Engelbert Baur, Ferdinand Baur, Rudi Baur, Dr. Eisele, Anton von Gelder, Josef Grammer Meinrad Grammer, Gauger (Eckenweiler), Adolf Knobloch, Christian Raible, Josef Utz, , Walter Wagner, Karl Weipert ; OV Gsell (Eckenweiler)

 

Am 14.5. 71 beschloss der Bondorfer Gemeinderat, sich mit Hailfingen dem Verwaltungsraum Ergenzingen mit Eckenweiler und Baisingen anzuschließen und zum Landkreis Tübingen zu wechseln. Es soll ein gemeinsames Unterzentrum ausgewiesen werden.

GR-Sitzung 19. Mai 71

 

Die Gemeinde Ergenzingen strebt eine Verwaltungsgemeinschaft mit der Gemeinde Eutingen, Rohrdorf und Göttelfingen an.
Mit Bondorf und Hailfingen könnte man die Einwohnerzahl auf etwa 10 000 erhöhen.

                                                                               GR-Sitzung 24.Juni 71

Der Sonderausschuss des Landtags hat am 18.06.71 beschlossen, Horb mit den Gäugemeinden dem Landkreis Freudenstadt zuzuordnen.

 

„Unser Gebiet gehört einfach nach Tübingen und nicht nach Freudenstadt. Der neue Landkreis Freudenstadt gehört …zum Regierungspräsidium Karlsruhe. Dazu braucht wohl kein Kommentar gegeben zu werden“

 

„Unter der Voraussetzung, dass unser Raum nach Tübingen kommt,. haben erfolgversprechende Verhandlungen stattgefunden, eine Verwaltungsgemeinschaft mit folgenden Gemeinden zu gründen:
Baisingen,Bondorf, Eckenweiler, Ergenzingen, Eutingen, Göttelfingen, Hailfingen und Rohrdorf. Diese 8 Gemeinden haben eine Einwohnerzahl von rd. 10 000, also eine ideale Größe….
Diese Konzeption ist durch die Zuordnung des Horber Bereiches nach Freudenstadt zerschlagen worden…“

„Zur raschen Gründung einer Verwaltungsgemeinschaft …sollen die Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft Eyach-Neckar-Starzel befragt werden, ob sie bei einer Umorientierung zum Lkrs Freudenstadt bereit sind, sich der Verwaltungsgemeinschaft Ergenzingen anzuschließen…. Sollten diese Gemeinden dazu nicht bereit sein, dann soll eine Verwaltungsgemeinschft mit den Gemeinden Baisingen ,Eckenweiler,Ergenzingen, Eutingen mit Göttelfingen und Rohrdorf, Weitingen gebildet werden (7120 Einwohner)…“

 

 „Strukturmäßig zusammenhängende Räume dürften doch nicht so zerrissen und auf 3 Regierungspräsidien verteilt werden:  Bondorf-Stuttgart, Seebronn-Tübingen, Ergenzingen-Karlsruhe, Börstingen-Tübingen…   GR Utz

 

„Alles in allem bringt der Gemeindrat zum Ausdruck, dass die Entscheidung des Sonderausschusses des Landtags in der Frage der Kreisreform für den Raum Ergenzingen nur Nachteile mit sich bringt. Mit der Zuordnung zu Freudenstadt besteht für unseren Raum eine nicht ausreichende Verkehrsverbindung, von der großen Entfernung ganz abgesehen…. Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang eine im Verhältnis zu Tübingen außerordentlich hohe Kreisumlage. Die Gemeinde Ergenzingen wird jährlich etwa 70 000 DM mehr an Kreisumlage aufbringen müssen, als sie beim Landkreis Tübingen hätte bezahlen müssen“….
„Die Gemeinde Ergenzingen war und ist bereit, mit den genannten Gemeinden eine Verwaltungsgemeinschaft zu bilden.“

Einstimmiger Beschluss
Die berechtigte Forderung der Gemeinde Ergenzingen auf Anschluss der Gemeinde und ihres Umlandes an den Landkreis Tübingen wurde vom Sonderausschuss des Landtags nicht berücksichtigt. Damit ist ein eindeutiges Votum der Bevölkerung missachtet worden. Die Gemeinde fordert nach wie vor den Anschluss an den Landkreis Tübingen  unter Einbeziehung der Gemeinden des Mittelbereichs Horb.

 

1.     Die Gemeinde Ergenzingen ist bereit, mit den Gemeinden Baisingen, Eckenweiler, Eutingen (einschließlich Rohrdorf und Göttelfingen) und Weitingen eine Verwaltungsgemeinschaft zu bilden. Dieser Verwaltungsgemeinschaft können noch weitere Gemeinden beitreten.

 

2.     3. Die Verwaltung wird beauftragt, die Verhandlungen mit den Nachbargemeinden unverzüglich aufzunehmen mit dem Ziel, diese Verwaltungsgemeinschaft mit Wirkung vom 1.1.1972 funktionsfähig zu machen.

 

GR-Sitzung 14. Oktober 1971

 

„Am 30.09.1971 hat der Gemeinderat in nichtöffentlicher Sitzung den Entwurf einer Satzung zur Gründung der Verwaltungsgemeinschaft „Oberes Gäu“ beraten und verabschiedet. Die weiteren Gemeinden haben kurz danach diesen Entwurf ebenfalls in Gemeinderatsitzungen behandelt. Am Mittwoch dem 6.10.1971 hat der Vorsitzende beim Bürgermeisteramt in Eutingen angefragt, ob auch dort der Entwurf dieser Satzung schon beraten worden  ist. BM Schaffner hat mitgeteilt, der Entwurf sei vom Gemeinderat beraten, jedoch nicht akzeptiert worden….Bemerkenswert ist noch, dass der Kollege von Eutingen zu der auf Freitag 8.10.1971 anberaumten Zusammenkunft der Bürgermeister nicht erschienen ist. Man musste den Eindruck bekommen, dass Eutingen an einer Verwaltungsgemeinschaft „Oberes Gäu“ nicht mehr interessiert ist…“

 

„Weiter müsste die Gemeinde sich Gedanken darüber machen, was werden soll, wenn die Verwaltungsgemeinschaft und eine größere Einheitsgemeinde nicht zustande kommt. Nach Auffassung des Vorsitzenden wäre dann die Situation gekommen, wo die Gemeinde Ergenzingen sich einen größeren und stärkeren Partner suchen müsste. Das ist allerdings die letzte Konsequenz und dabei müsste dem Willen der Bevölkerung entsprechend ein Anschluss nach Osten gesucht werden. Ob die Regierung und der Landtag allerdings einem Eingliederungsantrag der Gemeinde Ergenzingen in die Stadt Rottenburg ihre Zustimmun geben, bleibt zumindest fragwürdig, weil der Landtag bei der Verabschiedung des Kreisreformgesetzes den Antrag der Gemeinden Baisingen, Eckenweiler, Ergenzingen und Weitingen, sie dem Kreis Tübingen zuzuordnen, abgelehnt hat. … Es wird jetzt wesentlich davon abhängen, was die Bevölkerung zu dem ganzen Fragenkomplex für eine Haltung einnimmt.An eine Bürgerbefragung ist zunächst nicht gedacht, aber eine Bürgerversammlung könnte hier Aufschluss geben. „

GR-Sitzung 01.Dezember 1971

 Die Gemeinden Ergenzingen und Eckenweiler schließen sich nach einer Bürgeranhörung in Eckenweiler zusammen „in der Überzeugung, dem Wohle der Gemeinden und ihrer Bürger zu dienen. Die Gemeinde Eckenweiler wird Gemeindeteil von Ergenzingen“
 (Auszug aus der Vereinbarung über die Eingliederung der Gemeinde Eckenweiler in die Gemeinde Ergenzingen, beide Landkreis Horb)

 

Nach der Kommunalwahl am 24.10. 1971 bestand der Gemeinderat Ergenzingen neben BM Thurner und dem OV Gsell (Eckenweiler) aus 12 Gemeinderäten, davon 2 aus Eckenweiler (Däuble, Gauger).

 GR-Sitzung Januar 1972

 

Ergenzingen will mit Baisingen und Neustetten eine Einheitsgemeinde bilden, um die Zugehörigkeit zum Landkreis Tübingen zu erhalten.

Eine andere Möglichkeit, zum Kreis Tübingen zu kommen wäre eine Einheitsgemeinde mit Weitingen Sulzau, Bieringen Börstingen und Baisingen.
Parallel dazu fanden Verhandlungen mit Rottenburg über eine mögliche Eingliederung statt.

 

„Ergenzingen setzt alles daran, um in den Kreis Tübingen zu kommen“
Unerwartet kam am 4. Februar 1972 von Eutingen das Signal, doch mit Ergenzingen eine Verwaltungsgemeinschaft zu bilden, auf der Grundlage der Satzung, die von allen beteiligten Bürgermeistern erarbeitet war. Der Zeitpunkt war allerdings zu spät, denn der Gemeinderat Ergenzingen hatte bereits beschlossen, am 12. 3. 1972 eine Bürgeranhörung zur Frage der Eingliederung der Gemeinde Ergenzingen in die Stadt Rottenburg durchzuführen.

 

GR-Sitzung 15.März 1972

 

„Am 12. Januar 1972 hat der GR Ergenzingen beschlossen, mit dem Bürgermeisteramt Rottenburg Verbindung aufzunehmen in der Absicht, die Gemeinde Ergenzingen, die im Jahre 1938 anlässlich der Kreisneueinteilung vom damaligen Oberamt Rottenburg abgetrennt und dem Landkreis Horb zugeordnet wurde, in die Stadt Rottenburg am Neckar einzugliedern…Der Vereinbarungsentwurf ist allen Haushaltungen der Gemeinde zugestellt worden. Am 4. März 1972 hat in Ergenzingen und am 6. März im Ortsteil Eckenweiler eine Bürgerversammlung stattgefunden, bei denen die Einzelheiten der Eingliederungsvereinbarung erörtert worden sind…“

 

Am 12. März 1972 wurde die Bürgeranhörung durchgeführt, sie brachte bei einer sehr hohen Bürgerbeteiligung von  86% folgendes Ergebnis:

Stimmberechtigte                        1707
Abgegebene gültige Stimmen      1462
Ungültige Stimmen                      5

 

Die Abstimmungsfrage – sind Sie für die Eingliederung der Gemeinde Ergenzingen in die Stadt Rottenburg am Neckar wurde beantwortet

Mit JA  1433 Stimmen
Mit NEIN    29 Stimmen

Die Bürger haben sich also eindeutig für die Eingliederung ausgesprochen.

 Beschluss
1. Die Gemeinde Ergenzingen wird in die Stadt Rottenburg am Neckar eingegliedert.
2. Grundlage dieser Eingliederung bildet die im Entwurf vorliegende Vereinbarung
…“

 Der Beschluss erfolgte einstimmig.

 GR-Sitzung 29.November 1972

 Geheime Wahl der 3 Gemeinderäte für den Rottenburger Gemeinderat und deren Ersatzleute, die nach §15 der Eingliederungsvereinbarung der Stadt Rottenburg angehören werden. Dabei soll der Gemeindeteil Eckenweiler angemessen berücksichtigt werden.

 

Gewählt wurden: Rudolf Baur, Meinrad Grammer  und Karl Gauger (Eckenweiler)
Ersatzleute: Engelbert Baur, Josef Grammer, Helmut Däuble
 

 Am 1. Dez 1972 trat die vertragliche Eingliederung in Kraft.

Schule Ergenzingen nach der Eingemeindung 1972