Flächenverbrauch in Ergenzingen
Auszug aus dem offenen Brief an die Mitglieder des Gemeinderates der Stadt Rottenburg am Neckar und an den Ortschaftrat in Ergenzingen von den Landwirten aus Rottenburg-Ergenzingen vom
20.05.2020
(zur Verfügung gestellt von Erwin Raible)
Die Flächen auf der Gemarkung Ergenzingen, die nicht bereits als Siedlungs-, Industrie-, Verkehrs- oder als Naturschutzflächen genutzt sind, werden sämtlich landwirtschaftlich bewirtschaftet und
dienen der Ernährung der Menschen und Tiere oder bereits zur Erzeugung von erneuerbarer Energie. Darüber hinaus dienen sie als ökologische Pufferfläche und somit dem Artenschutz. Des
Weiteren tragen die hiesigen Landwirtinnen und Landwirte schon seit der Eingemeindung nach Rottenburg im Jahre 1972 eine der Hauptlast der Flächenversiegelung. So wurden seit 1980 nachstehende
Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen:
1981 Schul- und Sportgelände
(ca. 12 ha)
1985 Bundesautobahn A 81 samt Zubringer B28 (ca. 20 ha)
2007 Ortsumfahrung Ergenzingen (ca. 24 ha)
Ab 1983 Gewerbegebiet Höllsteig (ca. 21 ha)
Ab 2007 Gewerbegebiet Ergenzingen Ost (ca. 65 ha)
Ab 1980 für
Wohngebiete
(ca. 7,2 ha)
Ab 1990 für
Wohngebiete
(ca. 11 ha)
Ab 2000 für Wohngebiete
(ca. 2,2
ha)
Ab 2010 für
Wohngebiete
(ca. 6,2 ha)
Ab 2020 für Wohngebiete Oechsner
(ca. 4,8 ha)
In Summe waren das von 1980 bis heute (in nur 40 Jahren) mehr als 170 ha und damit ca. 17 % der Gemarkungsfläche und das in der rund 1.250 jährigen Geschichte des Ortes!
Hinzu kommen in erheblichem Umfang noch Ausgleichs-, Regenauffang-, Park- und Biotopflächen.
Diese Flächenumwidmungen haben die Ergenzinger Landwirtinnen und Landwirte allesamt mitgetragen und unterstützt. So konnte Ergenzingen zu dem werden was es heute ist! Sie haben dafür vielfach
ihre beruflichen Existenzen als Landwirte aufgegeben und das bestimmt nicht immer mit leichtem Herzen! Auch fehlt diese Fläche zur Versickerung von Regenwasser und somit zur Bildung und Erhaltung
von Grund- und Trinkwasserreserven.
Bei einer durchschnittlichen Niederschlagsmenge von 600 mm pro Jahr, bedeutet dies, dass bei angenommenen 50 % Überbauung über 500 Mio. l Regenwasser pro Jahr nicht mehr in Ergenzingen
versickern und somit dem Wasserhaushalt auf den verbliebenen landwirtschaftlichen Flächen fehlen. Dies spüren wir bereits bei unseren Ernteerträgen der letzten Jahre und da helfen auch
keine Regenrückhaltebecken! Diese lindern nur die Folgen der schnellen Wasserableitung, auffüllen können sie die Wasservorräte in unseren Ackerböden und Wiesen aber nicht.
Alleine dieser Punkt, sollte dazu anregen, sorgfältiger und verantwortungsvoller mit der Ressource „Boden“ umzugehen. Zukünftige Generationen werden auf den bereits versiegelten Flächen keine
Nahrungsmittel mehr anbauen können. Auch wenn der „moderne“ Verbraucher Lebensmittel heute in Plastik verpackt und hochverarbeitet beim Discounter oder LEH im Überfluss kaufen kann, ohne
Produktion dieser „essentiellen“ Nahrungsmittelrohstoffe blieben die Regale gerade in den Discountern mittel- und langfristig leer. Die aktuelle Corona-Krise führt uns vor Augen, wie anfällig die
weltweiten Warenströme darauf reagieren.
Als letzten, nicht weniger wichtigen Punkt führen wir an, dass wir die noch verbliebenen landwirtschaftlichen Flächen dringend benötigen um „Sie“ als Verbraucher aber auch um unsere Familien
bestmöglich zu ernähren. Das ist unser Beruf und unsere Berufung! Ein weiterer Entzug von landwirtschaftlichen Flächen bedeutet nicht nur den Verlust eben dieser für unsere Betriebe, sondern
führt auch zu Verwerfungen auf dem Pacht- und Bodenmarkt.
Aktuell können mit den verbliebenen Ackerflächen und Wiesen in Ergenzingen Lebensmittel für ca. 1.800 Menschen erzeugt werden, in Ergenzingen leben aber bereits ca. 4.500 Einwohner! …